Unser Ziel | Das Team | Vorgehen | Ergebnis | Praktische Umsetzung | Unterstützer
Unser Ziel
Wir wollen erreichen, dass alle Menschen in Deutschland einen digitalen Zugang zu kommunalen Dienstleistungen haben können. Niemand soll durch digitale Barrieren ausgegrenzt werden. Wir wollen Barrierefreiheit für alle Menschen.
Deutschlands größte zivilgesellschaftliche Initiative zur Schaffung staatlicher Transparenz
Wir sind Deutschlands größte zivilgesellschaftliche Initiative zur Schaffung staatlicher Transparenz. Wir haben die Internetseiten aller 11.000 Kommunen in Deutschland überprüft. Das sollte eigentlich der Staat leisten. Er sollte überprüfen, ob Gesetze und Verordnungen auch befolgt werden. Da der Staat das nicht macht, tun wir es.
Leider kommen wir aus allen Blickwinkeln zu einem sehr ernüchternden Ergebnis. Digitale Barrierefreiheit ist in Deutschland eher die Ausnahme.
Was Kommunen tun können, um digital zugänglicher zu werden.
Der Atlas der digitalen Barrierefreiheit macht deutlich, dass alle bisherigen Anstrengungen von Anbietern von Web-Technologie, Entscheidungsträgern in Kommunen und Dienstleistern der Accessability Community bisher noch keinen Zustand entwickeln konnten, den Betroffene als zufriedenstellend definieren würden. Warum das so ist, dafür gibt es mannigfaltige Gründe – mangelndes Problembewusstsein, geringer politischer Wille, fehlendes technisches Know-How, Mangel an Geld oder einfach auch Zeit kommen uns hier in den Sinn. Wir denken, mit diesem Status Quo darf niemand zufrieden sein, wir jedenfalls sind es nicht. Deshalb unsere Initiative und unsere Angebote.
Machen Sie sich bereit für Veränderung:
- Schauen Sie im Atlas nach, wie gut oder schlecht ihre Kommune abschneidet.
- Strukturieren Sie Ihre digitalen Angebote klar. Berücksichtigen Sie dabei nicht die eigenen verwaltungsinternen Prozesse, sondern die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Menschen, die die Ihre Internetseite nutzen.
- Verlangen Sie von Ihrer Web-Agentur, dass Ihre Seite BITV und WC2AG konform sein muss.
- Bevor Sie nichts umsetzen oder die Prozesse zu lange dauern: Nutzen Sie Overlay-Lösungen. Diese sind zwar nicht als nachhaltige Lösungen zu bezeichnen, schaffen aber kurzfristige Abhilfen. Bis Sie Ihre technisch Voll-Lösung umgesetzt haben.
- Rufen Sie uns an, wenn Sie Hilfe brauchen!
Das Team
Sie haben diesen Testmarathon angetreten und ihr Ziel erreicht: Die Mitarbeiter:innen der DasDies Service GmbH in Unna. Sie alle sind Menschen – mit den unterschiedlichsten Behinderungen. Damit sind Sie Experten in eigener Sache und bringen erlebte digitale Expertise gleich mit. Die DasDies gehört zur AWO-Ruhr-Lippe-Ems.
André BlochDasDies, Projektleitung Silke DieteDasDies Denise EichendorffDasDies Maciej KozlowskiDasDies, Geschäftsführung Miriam LanghoffDasDies Susanne SalmenDasDies Franz-Josef SchnellDasDies Marcel SteffenDasDies Jonas EinckInclusion Technology Lab Raimund Schmolze-KrahnInclusion Technology Lab
Vorgehen
Wir überprüfen die kommunalen Internetseiten sowohl durch Menschen mit Behinderungen als auch mit automatisierten Verfahren. Jede kommunale Internetseite wird aus unterschiedlichen Blickwinkeln beurteilt. Mal durch Menschen mit Behinderungen, die sich jede kommunale Landing-Page in Deutschland angesehen haben und anhand einiger eingängiger Kriterien ihr persönliches Erleben dokumentieren. Mal durch Computerprogramme, die rein technische Kriterien der digitalen Barrierefreiheit messen. Dabei entwickeln wir den Atlas kontinuierlich weiter und tragen möglichst viele Informationen zusammen, um ein differenziertes Urteil über die digitale Barrierefreiheit in Deutschland zu fällen.
Beim Test stand damit nicht die technische Analyse der Internetseiten im Mittelpunkt, sondern das individuelle Erleben der Prüfgruppe, die aus Mitarbeiter:innen der DasDies besteht. Wie nehmen Sie als Menschen mit Behinderung die Internetseite wahr, wie gut konnten sie mit der Seite umgehen, sie erfassen und wie schnell fanden sie die benötigten Informationen? Wie erreichten Sie ihr Recht auf Information? Ein digitaler Praxistest aus menschlicher Sicht.
Die Kriterien für die Messung durch Menschen mit Behinderungen hat die Prüfgruppe selbst festgelegt. Die Prüfgruppe war nicht technisch vorgebildet und hat sich dem Thema aus dem eigenen Erleben genähert. Das führte zu alltäglichen Fragen, die Ihnen bei der Nutzung digitaler Angebote immer wieder begegnen. Mit diesen fünf Fragen testeten die Mitarbeiter:innen, alle Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen, die digitale Barrierefreiheit der rund 11.000 Internetseiten deutscher Kommunen. Dabei untersuchte ein Mensch die Seiten nach den immer gleichen fünf Kriterien. Ein Kommune konnte also maximal fünf Punkte erzielen:
- 1
Kann man die Schriftgröße ändern?
- 2
Gibt es eine Vorlesefunktion?
- 3
Gibt es ein Angebot in leichter Sprache?
- 4
Wird das Thema Barrierefreiheit auf der Seite erwähnt?
- 5
Kann man in wenigen Minuten erfahren, wo man einen Termin zur Verlängerung seines Personalausweises vereinbaren kann?
Mit diesen fünf Fragen, einem sehr effektiven „Schnelltest“ zur Barrierefreiheit, stellte sich bald heraus, dass die Kommunen in Deutschland nicht wirklich mit dem Thema digitale Barrierefreiheit vertraut sind.
Die Messung durch echte Menschen haben wir um Messungen von Computerprogrammen ergänzt. Diese Programme können kein menschliches Erleben messen, sondern erfassen rein technische Kriterien der digitalen Barrierefreiheit. Auch diese Ergebnisse haben wir dokumentiert. Und wir aktualisieren und ergänzen diese stetig.
Einen Hinweis möchten wir an dieser Stelle machen: Internetseiten von Kommunen können sich verändern. Im Projektverlauf von eineinhalb Jahren haben wir in manchen Bundesländern Kommunalwahlen erlebt. Manchmal verändern sich Internetseiten auch ohne eine vorherige politische Wahl. Die dokumentierten Ergebnisse sind jeweils eine Momentaufnahme, die in den vergangenen 18 Monaten entstanden ist. Es kann deshalb sein, dass sich schon heute in manchen Kommunen andere Ergebnisse ergeben.
Kritik an unserem Vorgehen
Wir sind von vereinzelten Menschen aus der Accessability Community für die Wahl unsere Kriterien kritisiert worden. Die Vorlesefunktion behindere die Hilfsmittel technisch versierter blinder Menschen und die Schrift kann man in der Tat im Browser vergrößern. Dieser Sichtweise stellen wir eine gewisse Dringlichkeit in der Umsetzung zur Seite: Uns liegt daran, auch für technisch nicht gebildete Menschen möglichst einfach erkennbare Hilfen anzubieten – und zwar möglichst schnell und unaufwändig. Damit sind wir in einem Interessenskonflikt der idealen Lösungen, den wir leider auch nicht verhindern können. Eine umfassende technische Bildung aller betroffenen Menschen (ggf. Senior:innen, Nicht-Digital-Affine, Migrant:innen und viele mehr) sehen wir nicht absehbar – deshalb unser Plädoyer für eine Lösung mit Overlays. Ja, man kann anderer Meinung sein.
Von vereinzelten Kommunen sind wir kritisiert worden, dass wir ein Angebot in Leichter Sprache zu einem Kriterium erhoben haben, gleichwohl es gesetzlich nicht vorgeschrieben sei. Das ist sachlich falsch: Es gibt durchaus eine gesetzliche Vorschrift eines Angebotes in Leichter Sprache. Davon abgesehen halten wir dieses Kriterium für sinnvoll mit Blick auf einen erweiterten Barrierefreiheits-Begriff (konkret: eingeschränkte Sprachkompetenzen) in einer zunehmend komplexeren Welt.
Wir hoffen mit unseren Prüfkriterien einen konstruktiven Impuls und auch handhabbare Lösungsansätze für das drängende Problem der mangelnden Barrierefreiheit zu liefern – mindestens aber Diskussionsansätze und Gedankenanstöße. Uns geht es erklärtermaßen um Motivation und nicht um eine letztendliche, allgemeingültige Wahrheit.
Das Ergebnis
„Ich hatte ja schon geahnt, dass die Ergebnisse ernüchternd sein werden, aber dass das so schlecht ist, das hätte ich nicht gedacht,“ so Miriam Langhoff, MitarbeiterIn der DasDies, nach dem Testmarathon im Juni 2024.
Nach Auswertung aller rund 11.000 Kommunen in Deutschland erreichten lediglich 3 Prozent die maximale Punktzahl von 5 Punkten. Insgesamt 7 Prozent landeten sogar bei 0 Punkten. Das sind rund 770 Kommunen in Deutschland, die digital für Menschen mit Behinderungen gar nicht erreichbar sind.
Bundesweit wurden im Schnitt nur 37 Prozent der möglichen Punkte erreicht. Dabei wurde die Lösung der Frage 5, Personalausweis in 3 Minuten finden, mit Abstand am meisten erfüllt, nämlich zu 84 Prozent. Die Antwort auf Frage 3 nach der Leichten Sprache war das Kriterium mit dem schlechtesten Ergebnis – nur 11 Prozent der Seiten im Bundesdurchschnitt erfüllen die Anforderung nach Leichter Sprache.
Die Ergebnisse der technischen Messungen sind nicht an allen Stellen deckungsgleich mit dem menschlichen Erleben. Aber auch sie zeigen, dass in den Kommunen noch viel zu tun ist.
Deutschland hat sich beim Thema digitaler Barrierefreiheit schon lange viel vorgenommen: Bereits 2009 ratifizierte es die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen und machte damit Barrierefreiheit aller Lebensbereiche zu einem verbrieften Recht. Barrierefreiheit ist die Grundlage für die umfassende Information und Teilhabe aller Menschen und damit auch aller Bürger:innen, egal ob mit oder ohne Behinderungen.
Die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen in nationales Recht ist im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) geregelt. Das verpflichtet alle öffentlichen Stellen, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten. Digitale Barrierefreiheit ist einer der wichtigen Bausteine von Inklusion, der Teilhabe am täglichen Leben. Doch noch ist nicht viel geschehen. Der Staat hält sich nicht an seine eigenen Gesetze. Das ist nicht akzeptabel. Dabei wird die Barrierefreiheit von Internetseiten zum Juni 2025 europaweit verpflichtend, inklusive strafrechtlicher Konsequenzen.
Dieses Versagen sehen nicht nur wir. Es wird international wahrgenommen. Dunja Mijatovic, die Menschenrechtskommissarin des Europarates, kritisierte im März 2024 in ihrem Bericht Deutschland wegen mangelnder Umsetzung der Barrierefreiheit. Zitat: „Obwohl sich der Koalitionsvertrag der Bundesregierung mit Barrierefreiheit befasst und eine ‚Bundesinitiative Barrierefreiheit‘ ausruft, wurden bisher keine konkreten Gesetzgebungsprojekte oder Finanzierungsprogramme geplant, und keine Gemeinde hat bisher das gesetzlich vorgegebene Ziel für 2022 für einen barrierefreien öffentlichen Personennahverkehr erreicht.“ Zudem sieht sie wenig Entwicklung bei den Rechten der Menschen mit Behinderungen: „Die Fortschritte im Hinblick auf die Rechte von Personen mit Behinderungen sind allgemein gering, da ein fehlendes politisches Engagement und ein anhaltender Widerstand gegen Veränderungen seitens der bestehenden und gut finanzierten exklusiven Strukturen die Verwirklichung eines unabhängigen Lebens von Personen mit Behinderungen in der Gemeinschaft behindern.“
Ausblick
Was bedeutet es also, wenn öffentliche Stellen und Kommunen Barrierefreiheit im digitalen Bereich nicht umsetzen?
- Wenn Kommunen sich nicht an Gesetze halten, dann untergraben die die Fundamente des Rechtsstaats. Sie zeigen damit, dass Gesetze nicht bindend sind. Wenn der Staat sich nicht an seine Gesetze hält, warum sollten es dann seine Bürger:innen tun.
- Für die Betroffenen ist fehlende digitale Barrierefreiheit eine Katastrophe. Kommunen sind für Menschen mit Behinderungen oft die erste Anlaufstelle für staatliche Leistungen. Wenn hier bereits die erste Tür nicht geöffnet werden kann, dann bleiben Menschen mit Behinderungen ausgeschlossen.
- Eine Chance wird verpasst, bei der man mit wenig Geld gute Ergebnisse schaffen könnte. Denn digital barrierefreie Ein- und Zugänge sind deutlich günstiger zu erschaffen als umfangreiche bauliche Barrierefreiheit.
Praktische Umsetzung
Mit dem Atlas digitale Barrierefreiheit liegt eine Bestandsaufnahme digitaler Barrierefreiheit der deutschen Kommunen vor. Die Ziele des Projekts:
- Wir wollen erreichen, dass Kommunen sich dem Thema digitale Barrierefreiheit annehmen. Mit dem Atlas digitale Barrierefreiheit haben wir einen konkreten, praktischen Überprüfungstest vorgelegt und freuen uns, wenn überhaupt etwas getan wird.
- Einen Grund für die mangelnde Umsetzung der Barrierefreiheit sehen wir auch in den schwer verständlichen Kriterien für die Gestaltung von barrierefreien Seiten. Die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) und die Web Content Accessibility Guidelines (WC2AG) machen Barrierefreiheit zu einer Expert:innenkompetenz. Sie wird bei der Gestaltung von Internetseiten meist ausgelassen und/oder erst ganz am Ende eingebracht. Wir wollen, dass sich das Denken ändert und alle, auch kommunale Internetseiten, grundsätzlich möglichst übersichtlich, aufgeräumt und frei von Barrieren sind. Wir wollen, dass nicht am Ende sondern am Anfang der Entwicklung an Menschen mit besonderen Bedürfnissen gedacht wird. Das macht jede Seite für alle Menschen besser.
- Wir wollen kommunale Entscheider:innen unterstützen. Deshalb haben wir als Arbeitsgemeinschaft die Gesellschaft für inklusive Kommunikation (GfiK) gebildet, um ein Beratungsangebot zu machen, mit dem wir Kommunen die Erfahrungen aus unserer übergreifenden Untersuchung zugänglich machen. Wir können auch Ihnen helfen, aufgeräumte, klar strukturierte Seiten zu erschaffen. Und wir werden eine KI-basierte, kostengünstige Übersetzung von kommunalen Seiten in Leichte Sprache anbieten. Die Anwendung wird so günstig sein, dass Geld kein Hinderungsgrund mehr sein kann, Leichte Sprache anzubieten.
- Wir unterstützen Web-Entwickler:innen durch eine Übersicht von Links, die Web-Entwickler:innen helfen, Barrierefreiheit umzusetzen.